Anadi Kumar Ghoshdastidar wurde in Sylhet, Britisch-Indien (heute in Bangladesch) geboren. Im Jahr 1912 zog er nach Santiniketan, um als Schüler des Brahmacharyashrams zu lernen, einer von Rabindranath Tagore gegründeten Bildungseinrichtung. Nach dem Abschluss seiner Schulausbildung im Jahr 1920 widmete er sich fünf Jahre lang intensiv dem Musikstudium unter der Anleitung von Rabindranath Tagore und Dinendranath Tagore.
Sein Interesse an klassischer indischer Musik führte ihn zu Lehrern wie Bhimrao Shastri, Nakuleshwar Goswami und Radhika Prasad Goswami in Kalkutta. Zudem erlernte er das Spielen der Vina (Veena) und wurde ein virtuoser Spieler dieses Instruments. Seine außergewöhnlichen Fähigkeiten ermöglichten ihm die Zusammenarbeit mit dem weltberühmten Tänzer Uday Shankar, dessen Tanzensemble er als Vina-Spieler begleitete.
Karriere und musikalische Beiträge
1925 zog Anadi Kumar nach Kalkutta und entschied sich, seine Karriere dem Rabindra Sangeet zu widmen. Er war einer der ersten Musiker außerhalb von Santiniketan, die sich der Lehre und Verbreitung dieser Musikform widmeten.
Ein bedeutender Meilenstein in seiner Karriere war seine Ernennung zum musikalischen Leiter des Kongresses von Kalkutta im Jahr 1928. Zunächst unterrichtete er an Musikschulen wie Sangeet Sammilani und Basanti Vidyabithi. Später übernahm er die Leitung von Geet Bitan, einer renommierten Institution zur Förderung des Rabindra Sangeet.
Seine Arbeit beschränkte sich nicht nur auf Live-Auftritte und Lehrtätigkeiten. Er war auch an zahlreichen Radio-, Platten- und Filmproduktionen beteiligt. In der Gramophone Company of India (HMV) trainierte er Musiker und spielte eine Schlüsselrolle in der Entwicklung des sogenannten „Block Program“, einem innovativen System für Musiksendungen im Rundfunk.
Verbindung zum Theater und Film
Der bekannte Musikdirektor Rai Chand Boral brachte Anadi Kumar zu New Theatres, einem der führenden Filmstudios in Kalkutta. Dort arbeitete er als Musiktrainer für zahlreiche Filmproduktionen. Darüber hinaus hatte er eine Verbindung zu Bombay Talkies, einer weiteren bedeutenden Filmgesellschaft.
Auch im Theaterbereich war er sehr aktiv. Der bengalische Theaterpionier Shishir Bhaduri führte ihn in die Welt des Theaters ein, und Anadi Kumar wurde Musikdirektor für bekannte Theaterstücke wie Chirakumar Sabha und Shesh Rokkha. Später arbeitete er eng mit dem Star Theatre zusammen und komponierte Musik für verschiedene Theaterinszenierungen.
Während seiner Zeit mit Uday Shankars Tanzensemble spielte er weiterhin die Vina und begleitete Aufführungen in verschiedenen Teilen Indiens.
Standardisierung des Rabindra Sangeet und Notation
Im Jahr 1948 gründeten die Familie von Rabindranath Tagore und die renommierte Musikwissenschaftlerin Indira Devi Chaudhurani das Swaralipi Samiti (Komitee für Musiknotation). Ziel dieser Initiative war es, den Rabindra Sangeet systematisch zu dokumentieren und seine musikalische Struktur zu standardisieren. Anadi Kumar wurde zum Chefredakteur des Komitees ernannt – ein Amt, das er bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1965 innehatte.
Dank seiner sorgfältigen Arbeit wurden viele der Lieder von Tagore in musikalischer Notation erfasst, was dazu beitrug, die korrekte Interpretation und Authentizität dieser Lieder für kommende Generationen zu bewahren.
Einführung des Rabindra Sangeet in den Film
Ein weiterer bedeutender Beitrag von Anadi Kumar war die Einführung des Rabindra Sangeet in die bengalische Filmindustrie. Unter seiner musikalischen Leitung wurden Tagores Lieder erstmals in Filmen verwendet, wodurch sie einem noch breiteren Publikum zugänglich gemacht wurden. Dies war ein entscheidender Schritt für die Popularisierung des Rabindra Sangeet über traditionelle Konzertbühnen hinaus.
Tod und Vermächtnis
Anadi Kumar Ghoshdastidar verstarb am 4. Februar 1974. Sein Einfluss auf die bengalische Musikszene, insbesondere seine Verdienste um den Rabindra Sangeet, bleiben unvergessen.
Seine Hingabe zur Musik, seine Rolle als Lehrer und sein unermüdliches Engagement für die Verbreitung von Tagores musikalischem Erbe haben ihn zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten des Rabindra Sangeet gemacht. Durch seine zahlreichen Schüler, die Institutionen, die er leitete, und die Notationen, die er hinterließ, bleibt sein Beitrag für die indische Musikgeschichte von unschätzbarem Wert.
